Studieren war nicht immer so einfach und ungefährlich, wie das heute ist. Im Mittelalter war bereits die Anreise zum Studienort mit großen Gefahren verbunden. An der Universität angekommen, spielte sich das studentische Leben in der Burse, dem Verbund der Studenten der jeweiligen Nation ab. Und weil man in der Gemeinschaft stärker ist, als allein, verfestigte sich diese Verbindung. Im 17. Jahrhundert wuchsen so die ersten „alten“ Landsmannschaften an deutschsprachigen Universitäten. Einige dieser Landsmannschaften entwickelten sich zu Corps.
Dem Vorbild der Freimaurerei folgend, wurden im 18. Jahrhundert die ersten studentischen Corps gegründet. Noch unter dem Eindruck der Befreiungskriege entwickelte sich nach 1815 eine recht starke und auf politische Veränderung und nationale Einheit Deutschlands drängende Strömung an den Universitäten. Die Stunde der Burschenschaften hatte geschlagen.
Ehemalige Angehörige des Lützowschen Freikorps verbanden sich mit Anhängern der Turnbewegung F. L. Jahns zur Jenaischen Burschenschaft. Die durch E.M.Arndt angeregten „Deutschen Lesegesellschaften“ taten ihr Übriges zur schnellen Verbreitung nationaler und freiheitlicher Gedanken unter Studenten. Den Höhepunkt dieser Bewegung bildete das bekannte Wartburgfest am 18.10.1817. Die Schwarz-Rot-Goldene Fahne des Lützowschen Freikorps begann ihren Siegeszug durch die deutschen Kleinstaaten.
Da diese Bewegung der damaligen Obrigkeit gefährlich zu werden drohte, folgte 1819 das weitgehende Verbot der Burschenschaften. Ihrer kämpferischen Tradition folgend, entwickelte sich die Burschenschaft trotz alle dem weiter. In dem Märzkämpfen des Jahres 1848 waren es wieder Burschenschafter, die Ihren Kopf für die Freiheit hinhielten und sich später an der Frankfurter Nationalversammlung beteiligten. Nicht zuletzt die Frankfurter Paulskirchenverfassung zeigt, dass burschenschaftliche Ziele und Ideale tief in der Gesellschaft und Bevölkerung Fuß gefaßt und Rückhalt gewonnen hatten.
Seit der Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts bildete sich ein einheitlicher Typus der Burschenschaft heraus. Dies war eine Verbindung, die offen ihre Farben trug, Mensuren schlug und dem Prinzip der unbedingten Satisfaktion unterlag. Um ihre Interessen besser vertreten zu können und die Organisation untereinander zu verbessern, organisierte sich die Burschenschaften ab 1881 im Allgemeinen Deputierten Convent, der 1902 in die „Deutsche Burschenschaft“ umbenannt wurde und einen starken Dachverband bildete.
Dieser Dachverband sollte bald Verstärkung erfahren. An der Rostocker Universität wurde 1883 der „Turn- und Fechtclub Obotritia“ gegründet und im WS 1884/85 als akademischer Verein eingertragen. Bereits 1885 wurden die ersten Mensurwaffen erworben. Die politische Ausrichtung und die Ideale der Gründungsväter ließen die Obotritia zur ersten Burschenschaft Rostocks werden, die 1900 in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen wurde und bereits 1904 deren Vorsitz übernahm. Um der ständig wachsenden Mitgliederzahl gerecht zu werden, wurde im WS 1908/09 das erste Haus in der Friedrichsstrasse 16 erworben, das 1933 durch das größere Haus der Stephansstrasse 7a ersetzt werden musste.
Das düstere Kapitel des Nationalsozialismus war angebrochen und verschonte auch Obotritia nicht vor der Zwangsauflösung 1936. Wenngleich der Aktivenbetrieb eingestellt werden musste, konnte die Idee und die Traditionen der Burschenschaft Obotritia in der „Kameradschaft Theodor Körner“ – zusammen mit der Turnerschaft „Baltia“ und der Sängerschaft „Scaldia“ – weitergelebt werden. Die große Anzahl der Obotriten in dieser Kameradschaft ermöglichte 1942 sogar eine Verselbständigung der Obotriten als „Kameradschaft Heinrich Arminius Riemann“. Der Kommunismus bereitete nach dem Kriege zumindest in Rostock ein Ende. Gelobt sei an dieser Stelle das große Maß an Mut und Zivilcourage der Bundesbrüder, die sich weiter als Obotriten bekannten und Verbindungen zu anderen Bundesbrüdern pflegten.
Viele ehemalige Aktive trafen nach dem Kriege in Hamburg aufeinander. Mit dem Wiederbeginn des Universitätsbetriebes an der Hamburger Universität musste auch wieder der Aktivenbetrieb der Burschenschaft beginnen. Am 7. Dezember 1949 wurde die Alte Rostocker Burschenschaft Obotritia in der Altonaer Gaststätte „Zur Tonne“ wiederbegründet. Schon im Februar 1950 konnten alle 11 Hamburger Aktiven geburscht werden. Im Juni 1950 fand der erste Mensurtag im Sachsenwald statt. Im November 1957 wurde ein neues Bundeshaus in der Hamburger Klosterallee erworben.
Die politische Wende in der DDR machte es möglich, dass am 3. Oktober 1990 wieder die ersten 2 Rostocker Studenten aktiv werden konnten. Seit 1991 ist die Burschenschaft wieder zurück am Ort ihrer Entstehung – in der Hansestadt Rostock. Hier entwickelt sich nun nach langer Zwangspause langsam aber sicher wieder korporatives Leben, wofür auch die Obotriten sorgen…